Sprachlos war Chorleiter Wilfried Hoffmann eigentlich noch nie – beim Konzert seines Gemischten Chores „Liederkranz“ Schameder in der evangelischen Kirche in Erndtebrück fehlten ihm aber die Worte. Denn dieser Abend stand einerseits im Zeichen des 120-jährigen Vereinsbestehens. Andererseits dankten die Sängerinnen und Sänger auch ihrem Chorleiter, der zum Jahresende aufhört. Mit stehenden Ovationen zollten ihm der Chor und das Publikum in der fast voll besetzten Kirche größten Respekt. „Wir bedauern sehr, dass du aufhörst, können deinen Entschluss aber auch gut verstehen“, sagte die 2. Vorsitzende Beate Weyand. Er habe die Aufgabe in all den Jahren mit viel Herzblut und Eigeninitiative erfüllt. „Wir konnten gemeinsam Krisen überstehen und vor allem Erfolge feiern“, stellte Beate Weyand fest und bedankte sich im Namen des gesamten Chores für „unvergessliche Jahre“.
Insgesamt 27 Jahre war Wilfried Hoffmann in Schameder tätig. Zunächst dirigierte er den Männer- und den Frauenchor, die 2004 schließlich zum Gemischten Chor verschmolzen. Unter seiner Leitung erreichte der „Liederkranz“ viermal den Meisterchortitel und vor allem ein sängerisches Niveau, das den Chor zu einem der besten in Wittgenstein und darüber hinaus in der heimischen Region werden ließ. Nicht umsonst feierte der Chor viele weitere Erfolge bei Wettstreiten. Der Verein dankte es ihm mit einem Ruhekissen, um sich auf den Lorbeeren ausruhen zu können, einem Bild und mit einer Präsentation mit Fotos der gemeinsamen Zeit. Wilfried Hoffmann war nicht nur sprachlos, sondern sichtlich ergriffen. Doch nicht nur wegen des emotionalen Abschieds bot das Konzert viele Gänsehautmomente, sondern auch wegen der herausragenden Darbietungen der Sängerinnen und Sänger.
Der „Liederkranz“ hatte sich noch zwei weitere Wittgensteiner Meisterchöre zum runden Geburtstag eingeladen: die Chorgemeinschaft Canticum Novum Wittgenstein/Frauenchor Banfe unter der Leitung von Katja Kaiser sowie den Männergesangverein „Sangeslust“ Birkefehl mit Dirigent Thomas Bröcher. Mit einem Frauen-, einem Männer- und einem gemischten Chor bot der Abend somit die gesamte Bandbreite des Chorgesangs.
Die drei Chöre lieferten ein Programm fürs Herz. Im ersten Teil standen sakrale Stücke im Mittelpunkt. Der „Liederkranz“-Chor begeisterte die Zuhörer etwa mit der „Waldandacht“ von Franz Abt, dabei sangen Beate Weyand (Sopran), Marco Bald (Tenor) und Eberhard Kühl (Bass) jeweils ein Solo. Jede Menge Applaus erhielt die Frauenchorgemeinschaft aus dem Banfetal für ihre Interpretation des bekannten Spirituals „Burden down“, hier in einem Satz von Hans Weiß-Steinberg. Der Birkefehler Männerchor bewies seine allseits bekannte Klasse beispielsweise mit dem Stück „Vater unser“ von Eckhard Hehrer. Das Lied „Menschen, bewahrt euch den Frieden“ von Wilhelm Fritz war ein Appell, der es geradezu verdient hätte, aus der Erndtebrücker Kirche hinaus in alle Welt getragen zu werden.
Nach einer kleinen Pause wurde es flotter und vor allem weltlicher mit einigen Liedern, die auch im Radio zu hören sind. Allen voran der König-der-Löwen-Hit „Can you feel the love tonight“, den der Männerchor aus Birkefehl mit einem Solo von Christian Hackler darbot. Gleich darauf folgte noch „80 Millionen“, im Original von Max Giesinger. Die Sängerinnen der Frauenchorgemeinschaft hatten den ABBA-Song „I have a dream“ und den Klassiker „Ich wollte nie erwachsen sein (Nessajas Lied)“ von Peter Maffay im Repertoire und erhielten dafür viel Zuspruch. Der gastgebende „Liederkranz“ bewies im letzten Block eines wunderbaren Abends nicht nur sein sängerisches Können, sondern auch sprachliche Kompetenz: Bei „I will sing with the spirit“ sang der Chor auf Englisch, bei „Gabriellas sång“ auf Schwedisch und bei „Heast as net“ von Hubert von Goisern sogar auf Österreichisch. Soli sangen bei diesen Stücken Tina Lübbert, Beate Weyand und Marco Bald.
Benjamin Lübbert hatte an diesem Abend besonders viel zu tun: Er sang nicht nur in den „Liederkranz“-Reihen, sondern begleitete jeweils drei Stücke des Gemischten Chores und der Frauenchorgemeinschaft am Klavier. Mit der Udo-Jürgens-Hymne „Ihr von morgen“, bei der Joachim Heesen ein Solo sang, sollte das Konzert eigentlich seinen krönenden Abschluss finden.
Doch Chorleiter Wilfried Hoffmann hatte dann doch seine Sprache wiedergefunden und kündigte nach dem lang anhaltenden und stehenden Applaus die Zugabe „Noch hinter Berges Rande“ an – passenderweise ein Abendlied. Dass zwei Stunden seit Beginn des Konzerts vergangen waren, hatte niemand im Publikum bemerkt. Eigentlich war die Zeit auch viel zu schnell verflogen.
Text und Bilder:
Björn Weyand (Siegener Zeitung)